Friedrich - Alexander - Universität :: Erlangen - Nürnberg :: Geographisches Institut
Hauptseminar zur Physischen Geographie
UMWELTSCHUTZ - PRINZIP UND PRAXIS
Referat: FLURBEREINIGUNG IM WANDEL DER ZEIT
Seminarleiter: Prof. Dr. E. Jungfer
Referent: Andreas Nagl
Semester: Sommersemester 1996
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung - Definitionen 3
1.1 Flurbereinigung: 3
1.2 Regelflurbereinigung: 3
1.3 Unternehmensflurbereinigung: 3
1.4 "Einfache" Verfahrensarten: 4
1.5 Das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren: 4
1.6 Freiwilliger Landtausch: 4
1.7 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG): 4
1.8 Flurbereinigungsverfahren: 4
1.9 Flurbereinigungsplan: 4
1.10 Landeskultur: 4
2 Geschichtlicher Überblick von Flurbereinigungsmaßnahmen in Bayern und das Verhältnis zum Naturschutz 5
2.1 Die Anfänge in der Zeit von 900-1400 5
2.1.1 Die landwirtschaftliche Situation: Grundherrschaft 5
2.1.2 Neuordnungsmaßnahmen 5
2.2 Der Zeitraum von 1400-1800 5
2.2.1 Die landwirtschaftliche Situation: Bevölkerungswachstum 5
2.2.2 Neuordnungsmaßnahmen im bayrischen Allgäu 6
2.3 Der Zeitraum von 1800-1861 6
2.3.1 Die landwirtschaftliche Situation: Bauernbefreiung 6
2.3.2 Neuordnungsmaßnahmen 6
2.4 Der Zeitraum von 1886-1918 6
2.4.1 Die landwirtschaftliche Situation: Industrialisierung 6
2.4.2 Flurbereinigung - Heimatschutz 7
2.5 Der Zeitraum von 1918-1933 8
2.5.1 Die landwirtschaftliche Situation: Notstandsprogramme 8
2.5.2 Flurbereinigung - Landesverschönerung 8
2.6 Der Zeitraum von 1933-1945 9
2.6.1 Die landwirtschaftliche Situation: NS-Agrarpolitik 9
2.6.2 Flurbereinigung - Reichsnaturschutzgesetz 9
2.7 Der Zeitraum von 1945-1953 9
2.7.1 Die landwirtschaftliche Situation: Wiederaufbau 9
2.7.2 Flurbereinigung - Landeskultur 9
2.8 Der Zeitraum von 1953-1976 10
2.8.1 Die landwirtschaftliche Situation: Agrarstrukturwandel 10
2.8.2 Flurbereinigung - Naturschutz! 10
2.9 Der Zeitraum ab 1976 11
2.9.1 Die landwirtschaftliche Situation: Agrarstrukturwandel 11
2.9.2 Flurbereinigung - Naturschutz! 11
3 Flurbereinigung heute - Naturschutz koste es was es wolle ! 13
4 Zusammenfassende Wertung 15
5 Literatur 17
1 Einführung - Definitionen
Die Ziele und Aufgaben der Flurbereinigung haben sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Die Gründe für diesen Wandel sind: eine sich veränderte Landwirtschaft, neue ökologische Denkweisen, wirtschaftliche Interessen u.v.m.
Ziel dieses Referates ist es, diesen Wandel darzustellen. Wobei nicht auf einzelne Gesetzestexte eingegangen wird, sondern eher auf die allgemeinen Grundgedanken und Hintergründe, die zu einer Veränderung (Modernisierung) der Flurbereinigung führten und führen. Auch dem Naturschutzgedanken soll dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Doch zuvor sollten vielleicht erst einmal einige Begriffe genauer erläutert bzw. definiert werden:
1.1 Flurbereinigung:
Hierunter wird allgemein die Zusammenlegung und wirtschaftliche Gestaltung von zersplittertem oder unwirtschaftlich geformtem ländl. Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zur Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der Landeskultur verstanden.
Dabei sind Wege, Gräben u.a. gemeinschaftliche Anlagen zu schaffen, Bodenverbesserungen vorzunehmen, die Ortslagen aufzulockern und alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, durch die die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert werden. Die Grundeigentümer (Teilnehmer) im Flurbereinigungsgebiet müssen dazu ihren Grund für gemeinsame und öffentliche Anlagen zur Verfügung stellen und erhalten dann Land mit vergleichbarem Wert. (MANGER 1986, S120)
Im Vordergrund steht also besonders das wirtschaftliche Interesse. Diesem stehen heute viele Gesichtspunkte gegenüber: Die Situation der Landwirtschaft in der EU, Kulturlandschaftserhaltung, ökologische Denkweisen in der Landwirtschaft oder Naturschutz allgemein.
1.2 Regelflurbereinigung:
Sie gilt als die sogenannte 'normale' Flurbereinigung wie sie eben beschrieben wurde und weist den höchsten Flächenanteil aller Verfahren auf.
Die Flächenanteile für die verschiedenen Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz (Stand: 1. Januar 1986; aus MANGER, S134)
Regelflurbereinigung 76,2 %
Unternehmensflurbereinigung 18,4 %
vereinfachte Flurbereinigung 2,9 %
beschleunigtes Zusammenlegungsverfahren 2,4 %
freiwilliger Landtausch 0,1 %
1.3 Unternehmensflurbereinigung:
Hier werden Anlagen errichtet, die eine wirtschaftliche Bedeutung für den Staat und die Allgemeinheit aufweisen. Sie zeichnen sich durch einen großen Flächenbedarf aus und sind kaum oder nur indirekt für die Landwirtschaft dienlich. Ziel ist es den Landverlust auf mehrere Eigentümer zu verteilen und Nachteile für die allgemeine Landeskultur zu vermeiden, was jedoch nur schwer verwirklicht werden kann.
Unternehmen in diesem Sinn sind
ð Verkehrswege aller Art (z.B. Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Wasserstraßen wie der Main-Donau-Kanal, Neubaustrecken der Bundesbahn),
ð wasserwirtschaftliche Anlagen (z.B. Stauseen, Speicherbecken),
ð sonstige überörtliche Anlagen (z.B. Kraftwerke und Industrieanlagen),
ð oder städtebauliche Maßnahmen, wenn land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke in Anspruch genommen werden.
1.4 "Einfache" Verfahrensarten:
Die Zielsetzung ist sektoral stark begrenzt und richtet sich auf Neuordnungsmaßnahmen für Weiler, kleinere Gemeinden oder Gebiete mit Einzelhöfen. Hierbei kann
ð die Flurbereinigungsbehörde (nicht die obere Flurbereinigungsbehörde) die Flurbereinigung anordnen,
ð die Teilnehmerversammlung die Aufgaben des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft wahrnehmen,
ð von der Aufstellung eines Planes abgesehen werden,
ð einzelne Verwaltungsakte vereinfacht werden.
1.5 Das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren:
Auch hier wird kein Plan über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen erstellt. Weiter wird die Wertermittlung vereinfacht vorgenommen, möglichst ganze Grundstücke getauscht und die Abfindung möglichst durch Vereinbarung mit den Beteiligten bestimmt.
1.6 Freiwilliger Landtausch:
Der freiwillige Landtausch ist ein effizientes Verfahren, das bei geringem Einsatz von Mitteln wesentliche betriebswirtschaftliche Erleichterungen für die Landwirtschaft bringen kann. Bei allen Verfahrensabschnitten müssen alle Grundstückseigentümer und alle Inhaber von Rechten an den beteiligten Grundstücken zustimmen. Dadurch erklärt sich die beschränkte Einsatzmöglichkeit des freiwilligen Landtausches. Der Gebietsumfang der einzelnen Verfahren und die Zahl der Beteiligten Grundstückseigentümer werden deshalb meist verhältnismäßig gering bleiben. (MANGER 1986, S131)
1.7 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG):
Hier wurde am 14.7.1953 (i.d.F. am 16.3.1976) die Flurbereinigung gesetzlich geregelt. Weiterführend sind dann die Ausführungsgesetze der Länder.
1.8 Flurbereinigungsverfahren:
Ein behördlich geleitetes Verfahren zur Durchführung der Flurbereinigung in einem bestimmten Gebiet. Dabei wirken alle beteiligten Grundeigentümer und die landwirtschaftliche Berufsvertretung mit.
1.9 Flurbereinigungsplan:
Zur Durchführung der Flurbereinigung wird ein Flurbereinigungsplan benötigt. Er enthält folgende Punkte:
Aufnahme eines Wege- und Gewässerplans,
Nachweis über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen, die alten Grundstücke, die Berechtigungen der Beteiligten und deren Abfindungen,
sonstige Rechtsverhältnisse.
1.10 Landeskultur:
Dieser Begriff beinhaltet aus der Sicht der Flurbereinigung die Erhaltung, Pflege und Entwicklung von Naturhaushalt und Landschaftsbild unter gleichrangiger Berücksichtigung ökonomischer Erfordernisse. Die Kulturlandschaft ist das Ergebnis der jahrhundertelangen Arbeit von Bauern und Forstleuten, das Ergebnis von Roden und Aufforsten und von jedem menschlichen Wirken in der Landschaft. (SCHNEEBERGER 1986, S213)
2 Geschichtlicher Überblick von Flurbereinigungsmaßnahmen in Bayern und das Verhältnis zum Naturschutz
2.1 Die Anfänge in der Zeit von 900-1400
2.1.1 Die landwirtschaftliche Situation: Grundherrschaft
Die Landwirtschaft ist durch die Grundherrschaft stark geprägt. Eigentümer des Landes sind Landesherren, der Klerus, der Adel und immer weniger werdende freie Bauern. Die meisten Bauern sind unfrei und müssen den Hof zu Lehen bewirtschaften. Land und Eigentumsrechte werden durch Rodungen hinzugewonnen.
Die Parzellen, die sich in einem Besitz befinden, sind oft weit verstreut. Feldwege fehlen ganz. Bewirtschaftet wird daher unter Flurzwang, was bedeutet, daß die Flächen eines Dorfes nach der alten Dreifelderwirtschaft (WG, SG, Br) zu je einem zusammenhängenden Drittel und zu einem einheitlichen Zeitpunkt bebaut und abgeerntet werden.
2.1.2 Neuordnungsmaßnahmen
Abb. 1: Ortsflur Neusling nach der Flureinteilung im Hochmittelalter (aus KRIMMER 1986, S30)
Maßnahmen dieser Zeit als Flurbereinigung zu bezeichnen ginge vielleicht etwas weit. Aber schon damals dienten die Maßnahmen der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Bereich der Landwirtschaft. Man kennt zahlreiche Dörfer (z.B. Neusling 1247, siehe Abb. 1), die nach der Zerstörung durch Krieg wieder aufgebaut wurden und die Felder so neuverteilt wurden, daß es für die Dreifelderwirtschaft von Vorteil war.
Auch in nicht zerstörten Dörfern hat man grundherrliche Güter und Felder von Unfreien zusammengelegt. Diese Zusammentäusche sind in den sogenannten "libri consambiorum" überliefert.
2.2 Der Zeitraum von 1400-1800
2.2.1 Die landwirtschaftliche Situation: Bevölkerungswachstum
Die Verhältnisse in den ländlichen Gebieten stabilisieren sich. Das Bevölkerungswachstum bedingt die Aufteilung von größeren Höfen. Die Folge ist eine starke Parzellierung der Flur. Herzog Ludwig der Reiche von Niederbayern verbietet deshalb für seine Urbarsleute die Güterteilung und erläßt 1467 eine Anerbenordnung, die sich auch in anderen Gebieten durchsetzen kann.
Vor allem in Franken und Schwaben bleibt die Realteilung weit verbreitet.
Negativ auf die Landwirtschaft wirkt sich dann in der zweiten Hälfte dieser Zeitspanne die Pest und schließlich der 30jährige Krieg aus.
2.2.2 Neuordnungsmaßnahmen im bayrischen Allgäu
Von 1550-1800 werden im Allgäu 1025 Dorf- und Weilerfluren neu geordnet. Dabei werden alte Besitzzersplitterungen und Weiderechte aufgehoben, Feldwege neu angelegt und ganze Höfe ausgesiedelt. Die technischen Mittel und organisatorischen Vorbereitungen wurden dabei von sogenannten Feldmessern entwickelt. So ganz demokratisch ging man dabei natürlich nicht vor. Aber in der fürstlich-kemptischen Vereinödungsverordnung (1791) versuchte man Erfahrungen von Jahrhunderten mit zu verwerten. Spätere Gesetzgebungen enthielten schon einige demokratische Praktiken wie Zustimmungsmehrheit, Wahl der leitenden Personen durch die Teilnehmer oder gemeinsame Aufstellung der Neuordnungsziele.
2.3 Der Zeitraum von 1800-1861
2.3.1 Die landwirtschaftliche Situation: Bauernbefreiung
Abb. 2: Verschönerungsplan des Dorfes Mintrachin bei Freising um 1820 (aus KRIMMER 1986, S40)
Kurz kann die Situation unter dem Begriff Bauernbefreiung zusammengefaßt werden. 1808 führen die Aufklärung und die Ideen der französischen Revolution zur Beseitigung der Leibeigenschaft und zur Ablösung der grundherrlichen Rechte (endgültig 1848). Das Gemeinland wird aufgeteilt, der Flurzwang entfällt. Die Bauern können nun frei über ihr Eigentum verfügen und sind auch voll für ihr Handeln verantwortlich. Landwirtschaftliche Lehranstalten und landwirtschaftliche Vereine entstehen, welche neue Methoden für die Landwirtschaft entwickeln: Zweifelderwirtschaft, Krumenvertiefungen, Verbesserung der Nährstoffversorgung der Böden u.a..
2.3.2 Neuordnungsmaßnahmen
Die ersten Gesetzesvorschläge scheitern zwar noch, doch von Bezirksgeometern werden bereits Arrondierungen auf freiwilliger Basis durchgeführt. Das erste Gesetz wurde am 10.11.1861 auf Initiative des Landwirtschaftlichen Vereins erlassen. Es blieb jedoch noch ohne weitreichende Wirkung. Die Planungen waren meist architektonischer Natur. (vgl. Abb. 2)
2.4 Der Zeitraum von 1886-1918
2.4.1 Die landwirtschaftliche Situation: Industrialisierung
Die Industrialisierung nimmt ihren Gang und macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Ein technischer und sozialer Wandel vollzieht sich. Landmaschinen und der elektrischer Strom verdeutlichen die Modernisierung. Der Ausbau der Verkehrswege und die wachsende internationale Konkurrenz lassen die Landwirtschaft in eine Krise geraten, die nur durch Protektionismus behoben werden kann. Durch weitere Stärkung und Intensivierung der Landwirtschaft steigt die Produktion. Erst durch den Krieg bricht die Versorgung mit Nahrungsmitteln wieder zusammen.
2.4.2 Flurbereinigung - Heimatschutz
Abb. 3 u. 4: Flurbereinigung Sondhofen, 1909 abgeschlossen (aus MANGER 1986, S126/127)
Am 29. Mai 1886 wird das Gesetz "Die Flurbereinigung betreffend" erlassen und legt somit die Geburtsstunde der Bayrischen Flurbereinigungsverwaltung fest. Das Gesetz legt die Grundlagen für eine fortschrittliche Neuordnung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes fest. Es schafft eine eigene zentrale Behörde zur Leitung und Durchführung der Flurbereinigung. Es beinhaltet Abfindungsgrundsätze, Verfahrensdurchführungen und öffentliche Fördermaßnahmen. Die Zustimmung wird reduziert auf eine Mehrheit nach Zahl, Fläche und Steuer. Anders als bei früheren Gesetzen wird nun eine große Wirksamkeit erreicht. Mehr als 1000 Verfahren werden bis 1923 durchgeführt oder begonnen. Dabei werden meist Grundstücke zusammengelegt und neue Feldwege geschaffen.(vgl. Abb. 3 und 4)
Ansätze im Naturschutz gibt es erst im Bereich Heimatpflege und Vogelschutz. Dies betraf meist Denkmäler, Kapellen, Feldkreuze und Bäume, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse steht. Auch gab es Ansätze, das Landschaftsbild zu verschönern oder Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Da plante man schon einmal die Neupflanzung von Obstbäumen in der Nähe der Ortschaft oder an Wirtschaftswegen. Natürlich gingen im Zweifelsfall immer die landwirtschaftlichen Interessen vor, wurden neue Wege möglichst gerade angelegt oder im Weg stehende Gehölze kurzer Hand beseitigt. In dieser Zeit, wenn auch nicht in Bayern, sondern in Niedersachsen, entwickelte sich bereits eine erste deutsche Heimatschutzbewegung. Der Komponist RUDORFF drückt im folgenden Lied seine Bedenken gegenüber den Zusammenlegungsmaßnahmen aus. 1904 gründete RUDORFF den "Deutschen Bund Heimatschutz". Argumentationen gegen die industriefreundliche Gesellschaft hatten dabei meist einen ästhetischen und naturromantischen Hintergrund.
"Es geht ein Mann durchs bunte Land,
Die Meßkette hält er in der Hand,
Sieht vor sich hin und sieht sich um:
'hier ist ja alles schief und krumm!'
Er blickt zum Bach im Tale hin:
'Das Buschwerk dort hat keinen Sinn.'
Zum Teiche zeigt er mit der Hand:
'Das gibt ein Stück Kartoffelland.'
Der Weg macht seinen Augen Pein:
'der muß fortan schnurgrade sein!'
Die Pappel scheint ihm ohne Zweck:
'Die muß hier selbstverständlich weg '...
(aus EICHENAUER/JOERIS 1994, S337)
2.5 Der Zeitraum von 1918-1933
2.5.1 Die landwirtschaftliche Situation: Notstandsprogramme
Nach dem 1. Weltkrieg ist die Landwirtschaft auf öffentliche Gelder angewiesen (Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit). Die Kaufkraft der Verbraucher ist stark gesunken und läßt auch die Erzeugerpreise sinken, so daß Betriebe, oft hoch verschuldet, versteigert werden müssen. Durch den Verlust der Kolonien und damit von Rohstoffen ist die Weimarer Republik nach Selbstversorgung bestrebt und fördert mit den Notstandsprogrammen auch die Landwirtschaft.
2.5.2 Flurbereinigung - Landesverschönerung
Das Flurbereinigungsgesetz vom 5. August 1922 bringt einige organisatorische Verbesserungen und zeigt sich ein Stück weit demokratischer. Die Flurbereinigungsverwaltung wird dezentralisiert. Die Grundeigentümer schließen sich nach dem Selbstverwaltungsprinzip zu einer Flurbereinigungsgenossenschaft zusammen. Öffentliche Interessen sollen erstmals mit berücksichtigt werden.
In den 20er Jahren reicht der Naturschutz in der Flurbereinigung nicht über den ästhetische Grundsatz hinaus, auch wenn HAECKEL erstmals den Begriff "Ökologie" gebraucht und biologisch-wissenschaftlich begründet.
2.6 Der Zeitraum von 1933-1945
2.6.1 Die landwirtschaftliche Situation: NS-Agrarpolitik
Die NS?Agrarpolitik versucht die Landwirtschaft zu stärken und die Produktion zu erhöhen, um im Kriegsfall die Selbstversorgung zu sichern. Dabei werden der Produktionsablauf, die Erzeugerpreise und die Preisspannen bei der Vermarktung planwirtschaftlich geregelt. Mit dem 2. Weltkrieg beginnt die Zwangsbewirtschaftung.
2.6.2 Flurbereinigung - Reichsnaturschutzgesetz
Einzelne Maßnahmen werden vereinfacht, um die Flurbereinigung zu beschleunigen und den Bau der Autobahnen zu ermöglichen. In den Gesetzen wird der staatliche Zwang verschärft. Man veranlaßt alle möglichen Schritte um die Landwirtschaft produktiver zu machen und die Ernährung der Bevölkerung autark zu gewährleisten.
Naturschutz hat bei solchen Denkweisen keinen Platz, selbst wenn 1935 das Reichsnaturschutzgesetz erlassen wurde.
2.7 Der Zeitraum von 1945-1953
2.7.1 Die landwirtschaftliche Situation: Wiederaufbau
Die Deutschen haben mit dem Wiederaufbau alle Hände voll zu tun. So stehen in der Landwirtschaft ertragssteigernde Maßnahmen im Vordergrund, um die Versorgungsengpässe zu beheben. Durch europäische Hilfe und eine weitestgehende Mechanisierung der Landwirtschaft wird der Stand vor dem 2. Weltkrieg wieder erreicht.
2.7.2 Flurbereinigung - Landeskultur
Abb. 5: Natursünden der Flurbereinigung (aus MAGEL 1986, S101)
Nach der Mechanisierung erhöht nun vor allem die Flurbereinigung die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft. Man versucht möglichst schnell viel zu erreichen und schafft die nötigen Rechtsgrundlagen
1. Gesetz zur Wiederherstellung des bayrischen Flurbereinigungsrechts vom 15. Juni 1946.
2. Gesetz über die Zusammenlegung von landwirtschaftlichen Grundstücken (Arrondierungsgesetz vom 10. Mai 1949)
Im Gegensatz zu bisherigen Gesetzen haben diese nun eine größere Bedeutung und zeigen auch weiträumig ihre Wirkung. Die Planungen der Flurbereinigung werden intensiviert und koordiniert. Es entstehen neue Grundsätze für die Gewannenbildung und der Flureinteilung. In einem Übersichtsplan werden die gesamten Planungen zusammengefaßt. Der beginnende Strukturwandel und die Technisierung in der Landwirtschaft zwingen mehr und mehr zur Schaffung großräumiger Wirtschaftsflächen. Alle Maßnahmen dienen hauptsächlich der Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge.
Auch in dieser Epoche hatte der Naturschutz in der Praxis keine Bedeutung. (vgl. 5) In der Theorie legte man jedoch großen Wert auf Begriffe wie 'Maßnahmen zur Erhaltung der Landeskultur', 'Verschönerung des Ortsbildes', 'Landschaftsbild' oder 'Vogelschutz'.
2.8 Der Zeitraum von 1953-1976
2.8.1 Die landwirtschaftliche Situation: Agrarstrukturwandel
Die Modernisierung hält weiter Einzug in den primären Sektor. Viele Arbeitskräfte wandern in den sekundären oder tertiären Sektor ab. Hinzu kommt, daß sich die Landwirtschaft dem europäischen Markt stellen muß. Die Situation der Bauern verschlechtert sich damit kontinuierlich. Die Einbindung in den europäischen Agrarmarkt 1962 verschärft den agrarstrukturellen Wandel. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der Betriebsflächen ist weiter rückläufig: Von 1960-1970 nimmt die Zahl der Betriebe in Deutschland um 350000 ab. Die Durchschnittsgröße der Betriebe steigt im gleichen Zeitraum von 9,34 ha (1960) auf 11,67 ha (1970) an (EHLERS 1988, S32). Agrarsozialgesetzgebung, Gesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, Marktstrukturgesetz u.a. versuchen die soziale Lage und das Einkommen der Landwirte zu verbessern.
Der Fortschrittsglaube und der Wachstumsfetischismus, nach dem Vorbild der industriellen Produktion, zeigen schon bald ihre Wirkung. Der Markt ist schnell gesättigt, doch um als Bauer marktfähig zu bleiben, muß weiter produziert werden. Ökologische Aspekte sind bis dato nicht berücksichtigt worden. In früheren Zeiten wirkten sich allerdings die Eingriffe nicht so stark auf die Natur aus. Jetzt im Zeitalter von Maschinenparks und chemischen Düngemitteln beginnt das ökologische Gleichgewicht zu schwanken und das sichtbar für die breite Bevölkerung. In der Agrarpolitik versucht man das Problem anzugehen, indem man die Landwirtschaft zwar in Formen der Voll?, Zu? und Nebenerwerbsbetriebe sichert, die Ziele aber auf die Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel und die Erhaltung der Kulturlandschaft verlagert. Die Situation der Landwirtschaft heute zeigt, daß dieser Ansatz noch immer nicht verwirklicht wurde. (vgl. Kapitel 3 und 4)
2.8.2 Flurbereinigung - Naturschutz!
Im Flurbereinigungsgesetz vom 14. Juli 1953 bleibt das Hauptziel die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung. Deutschland soll dem internationalen Markt stand halten. Allerdings wird auch der weitgefaßte Begriff "Erhaltung der allgemeinen Landeskultur" mit aufgenommen und ab 1953 erstmals Landschaftspläne erstellt. Mit der verbesserten öffentlichen Förderung, personellen Verstärkung und technischen Innovationen setzt eine starke Neuordnungstätigkeit ein. Dabei gilt der eingangs erwähnte Agrarstrukturwandel auch als ein Ergebnis dieser Neuordnungen. Arrondierungen der Fluren sowie Aussiedlungen von Höfen aus verdichteten Dorfkernen führen zu völlig neuen Flur- und Siedlungsmustern. Der Natur wird hierbei oft geschadet, auch weil das Ausmaß der Flurbereinigung in dieser Phase einen Höchststand erreicht. Bis 1960 waren in Deutschland etwa 4700 Flurbereinigungsverfahren abgeschlossen, von 1960-1970 wurden weitere 4800 Verfahren eingeleitet.
Die Verflechtung der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Bereiche bedingen großräumige Flurbereinigungsgebiete sowie eine intensive Vorplanung, Abstimmung und Koordinierung aller Vorhaben. Als Beispiel sei hier das gewaltige Projekt der Fränkischen Seenlandschaft genannt.
Vom heutigen Naturschutzgedanken war man immer noch weit entfernt. Die Förderung der Landeskultur sollte einen Zustand der Kulturlandschaft schaffen und erhalten, der es ermöglicht, aus dem Boden die denkbar günstigsten Erträge zu gewinnen und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. (Eichenhauer/Joeris 1994, S334)
2.9 Der Zeitraum ab 1976
2.9.1 Die landwirtschaftliche Situation: Agrarstrukturwandel
Der Staatshaushalt wird durch die Überschüsse bei fast allen Erzeugnissen stark belastet. Eine Anpassung der Preise an die steigenden Kosten wird so verhindert. Für Milch wird die Produktionsmenge kontingiert. Die Landwirtschaft steckt in einer tiefen Krise, von der besonders kleine und mittlere Betriebe betroffen sind. Das immer stärker wachsende Umweltbewußtsein in der Gesellschaft ist zwar nötig, die Landwirte sehen dadurch aber ihre Existenz gefährdet. Die Aufgabe der Agrarpolitik ist es, möglichst viele Betriebe zu erhalten und deren soziale Lage zu verbessern. So schreitet der Agrarstruckturwandel immer weiter fort. (vergleiche Tabelle)
Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur seit 1873 am Bsp. Erdmannshausen(Quelle: EHLERS 1988, S33)
Betriebs-gruppe | 1873 Zahl ha |
1950 Zahl ha |
1959 Zahl ha |
1967 Zahl ha |
1972 Zahl ha |
1975 Zahl ha |
1980 Zahl ha |
0-2 ha | 75 65 | 127 150 | 147 140 | 126 126 | 64 61 | 58 51 | 29 22 |
2-5 ha | 94 297 | 82 260 | 54 178 | 36 114 | 11 32 | 7 23 | 5 17 |
5-10 ha | 32 232 | 24 160 | 19 135 | 11 78 | 8 54 | 7 56 | 7 46 |
10-20 ha | 2 33 | 1 12 | 9 118 | 13 179 | 5 80 | 2 34 | 2 38 |
> 20 ha | - - | - - | - - | 2 42 | 9 231 | 10 291 | 9 290 |
Summe | 203 627 | 234 582 | 229 571 | 188 539 | 97 458 | 84 455 | 52 413 |
Die Gedanken des Umweltschutzes fließen in die Agrarpolitik zwar mit ein, in der Praxis haben wirtschaftliche Interessen nach wie vor mehr Gewicht. Erst in jüngster Zeit schenkt man dem Naturschutz etwas mehr Beachtung. Für die Landwirte ergeben sich heute meist drei Möglichkeiten:
1. Sie geben ihren Betrieb teilweise oder ganz auf.
2. Sie versuchen konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu müssen sie meist modernisieren, spezialisieren und alle Möglichkeiten der technisierten Bewirtschaftung ausnutzen. Für die Umwelt ist das die bei weitem schlechteste Variante.
3. Sie hoffen auf die Kaufkraft und das ökologische Bewußtsein der Bevölkerung und betreiben alternativen Landbau.
2.9.2 Flurbereinigung - Naturschutz!
Die Neufassung des Flurbereinigungsgesetzes vom 16. März 1976 ist ein Versuch sich an die veränderten Zielsetzungen der Agrarpolitik anzupassen. Vorrangiges Ziel ist und bleibt die Hilfe für die Landwirtschaft. Gleichzeitig soll die natürliche Lebensgrundlage geschützt werden. Neue Gesichtspunkte sind die Dorferneuerung und die Landschaftspflege. Die Dorferneuerung soll die Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnisse in den Dörfern verbessern. Hierfür wurden 1989 87,5 Mill. DM an öffentlichen Mitteln aufgewendet. (SICK 1993, S197)
Einige Förderungsmaßnahmen sollen die Dorferneuerung realisieren:
-Verbesserung der Grundlagen landwirtschaftlicher Betriebe
-Schaffung dörflicher Einrichtungen
-Durchgrünung des Dorfes
-Verbesserung der dörflichen Verkehrsverhältnisse
-Abwehr von Hochwassergefahren und Renaturierung dörflicher Gewässer
-Verbesserung der dörflichen Baukultur und Ortsbildpflege
-Flächenbereitstellungen für die Gemeinden
-Bodenordnung zur besseren Realisierbarkeit der Maßnahmen
-langfristige städtebauliche Beratung von Gemeinden und Bürgern
Obwohl die Bürger immer stärker in die Planungen mit einbezogen werden, steht die breite Masse der Bevölkerung der Flurbereinigung weiterhin kritisch gegenüber. Denn die Flurbereinigung ist ein Eingriff in den Naturhaushalt und zerstört meist was über Jahrzehnte hin gewachsen ist und das oft mit einem beträchtlichen finanziellen Aufwand. Auch scheint der Kampf die Landwirtschaft in der EG (EU) konkurrenzfähig zu machen, zu diesem Zeitpunkt bereits verloren.
So wird nun auch in der Flurbereinigung der Umweltaspekt mehr gewichtet. Man versucht die Ökologie und die Ökonomie zusammenzuführen. Die Gründe seien hier noch einmal kurz aufgeführt:
-fortschreitender Strukturwandel in der Landwirtschaft
-anhaltende landwirtschaftliche Überproduktion
-wachsende Umweltbelastungen auch durch die Landwirtschaft (Nitratbelastung)
-höhere Ansprüche an Lebensqualität in den Dörfern
-steigende kritische Einstellung großer Bevölkerungsgruppen gegenüber der Flurbereinigung; besonders gegenüber großräumiger Projekte
Um sowohl der Ökonomie als auch der Ökologie gerecht zu werden, muß die Planung einzelner Maßnahmen noch umfassender und qualifizierter durchgeführt werden als bisher. Hinzu kommt die Einführung des Planfeststellungsverfahrens. Eine Zusammenarbeit von Architekten und Ökologen ist daher dringend erforderlich. Angesichts der Dringlichkeit und der angespannten Finanzlage versucht man heute die Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Jährlich werden in etwa neuen 300 Verfahren bis zu 150000 ha neu zugeteilt.
3 Flurbereinigung heute - Naturschutz koste es was es wolle !
Die Flurbereinigung heute hat durch ihre langjährige Erfahrung und auf Drängen des Umweltschutzes einiges dazugelernt. Das Hauptziel, wirtschaftliche Stärkung der Landwirtschaft, scheint bei der heutigen EU-Marktsituation kaum erreichbar. So versteift sich die Flurbereinigung, um nicht gänzlich ihre Aufgaben zu verlieren, heute mehr und mehr auf landschaftspflegerische Maßnahmen. 'Ökologisches Gleichgewicht' oder 'Biotopvernetzung' sind heute auch dem Flurbereinigungsbeamten keine Fremdwörter mehr. Bei Eingriffen in die Natur geht man viel behutsamer vor als noch vor einigen Jahren. Einige ökologisch sinnvolle Maßnahmen der modernen Flurbereinigung seien kurz aufgezählt.
§ Maßnahmen zur Stabilisierung der Kulturlandschaft in der Flurbereinigung
ð Verhinderung von Standortnivellierungen hinsichtlich der Extreme naß und trocken. Sicherung von nassen und trockenen Standorten und Anlage neuer Feucht- und Trockenbiotope in verarmten Gebieten
ð Erhalt und Aufbau von Flächen mit unterschiedlicher Nutzungsintensität
ð Steuerung der Erholungsaktivitäten, um die Belastungen auf den Landschaftshaushalt so gering wie möglich zu halten.
ð Erhaltung und Erhöhung einer Artenvielfalt.
ð Erhalt und Wiederaufbau eines Systems von extensiv oder nicht genutzten Landschaftsbestandteilen zu einer ökologisch und gestalterisch wirksamen Netzstruktur.
ð ...
§ Maßnahmen zur Biotoperhaltung in der Flurbereinigung
Abb. 6: Heckenverpflanzung (aus SCHNEEBERGER 1986, S219
ð Verlagerung von Kleinstrukturen an neue Standorte (z.B. Lebendverpflanzungen von Hecken siehe Abb. 6)
ð Anpassung der neuen Wegenetze an vorhandene Kleinstrukturen.
ð Festlegung neuer Grundstücksgrenzen auf vorhandenen Grenzstrukturen, Anpassung der Bewirtschaftungsrichtung an vorhandene Kleinstrukturen.
ð Keine Meliorationsmaßnahmen auf erhaltungswürdigem Grünland.
ð Keine Entfernung von Geländestufen und Lesesteinwällen.
ð Keine Verfüllung von Naßstellen.
ð ...
§ Maßnahmen zur Biotopsanierung in der Flurbereinigung
ð Verbesserung der Artenzusammensetzung von Vegetationsbeständen.
ð Verjüngung von Gehölzen.
ð Ergänzende Pflanz- und Saatmaßnahmen.
ð Baumpflege, Baumsanierung
ð Änderung der forstlichen Bewirtschaftung
ð Renaturierung von Fließgewässern (vgl. Abb. 7)
Abb. 7: Gewässerbau früher - heute (aus SCHATT 1986, S140)
ð Wiederherstellung von Stillgewässern
ð Regelung des Wasserhaushaltes
ð ...
§ Maßnahmen zur Biotopneuschaffung in der Flurbereinigung
Abb. 8: reichgegliederter Waldrand (Informationsblatt Direktion Ansbach)
ð Anlage von Feldgehölzen
ð Anlage von Hecken
ð Anlage von Gehölzgruppen und Begleitpflanzungen an Wegen und Gewässern
ð Anlage von Einzelbäumen, Baumreihen, Baumalleen, Baumgruppen, Obstbäumen
ð Anlage extensiver Wildgrasfluren, Trockenrasen
ð Anlage neuer geomorphologischer Strukturen
ð Aufbau reichgegliederter Waldränder (vgl. Abb. 8)
ð ...
§ Maßnahmen für den Boden- und Erosionsschutz
§ ...
Viele dieser Maßnahmen stehen im Widerspruch zum eigentlichen Sinn der Flurbereinigung, die Landwirtschaft produktiver zu gestalten. Es wird sogar versucht die Landwirte weg von der Produktion hin zur Landschaftspflege zu führen. Die öffentlichen Gelder dafür stiegen in den letzten Jahren enorm an.
All diese Maßnahmen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei den meisten Verfahren die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft an erster Stelle stand. Erst bei jüngeren Projekten, die von Flurbereinigungsgegnern zu recht als Vorzeige- oder Prestigeobjekte bezeichnet werden, kommen solche Maßnahmen wirklich zur Anwendung.
4 Zusammenfassende Wertung
Die Flurbereinigung hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Vom anfänglichen Landtausch bis hin zur Gestaltung einer ganzen Seenlandschaft haben sich die Aufgabenfelder stark erweitert. Viele Bereiche waren für die Landwirtschaft sicherlich von großer wirtschaftlicher Bedeutung, wenn auch die heutige Situation der Landwirtschaft einiges in Frage stellt. Ebenso hat sich das Verhältnis zum Naturschutz zunehmend geändert. Eichenauer und Joeris kennzeichnen das historische Verhältnis von Flurbereinigung und Naturschutz/Landschaftspflege bis 1953 durch vier charakteristische Zeitphasen:
(EICHENAUER/ JOERIS 1994, S343ff)
1. PHASE: Aufbau der Flurbereinigung und Zielidentität zwischen Flurbereinigung und Landesverschönerung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
· Hauptziel: Zusammenlegungen (Arbeitserleichterung)
· geometrische Gestaltung der Landschaft, um der damaligen Ästhetik zu entsprechen
2. PHASE: Expansion der Flurbereinigung und Beginn der Zieldivergenzen zwischen Flurbereinigung und Heimatschutz Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts.
· Physionomie des Vaterlandes sollte erhalten bleiben
· Erhaltung der Landeskultur und Schutz einzelner Naturdenkmäler wurde gesetzlich verankert
3. PHASE: Vereinheitlichung der Flurbereinigung und Vervollständigung ihres Naturschutzinstrumentariums in den 30er Jahren
· Maßnahmenforderungen, die über die Erhaltung der Landschaftselemente hinausgehen
· Schaffung von Naturschutzbehörden
4. PHASE: Konsolidierung der Flurbereinigung und Neuorientierung durch Landespflege zu Beginn der 50er Jahre
· Übernahme des Reichsumlegungsgesetzes von 1937, ohne nationalsozialistischen Gedankengutes
· Miteinbeziehung der Landschaftsplanung
Die Zeit nach 1953 war geprägt durch eine weitere Annäherung zwischen beiden Bereichen. Immer mehr "neue" naturschützerische Zielsetzungen werden in ein "altes" Programm mit eingearbeitet.
Dennoch gibt es viel Kritik, nicht nur auf Seiten der Naturschützer, gegenüber der Flurbereinigung anzubringen. Alleine der Begriff Flur-"Bereinigung" gibt Anlaß zur Kritik. Was soll denn da bereinigt werden, wenn nicht die Natur? "Bereinigung" wäre dann angebracht, wenn alte Sünden wie z.B. Bachbegradigungen wieder beseitigt (renaturiert) werden.
Die traditionellen Ziele der Flurbereinigung sind nicht mehr zeitgemäß. Einerseits zwingt die Agrarpolitik die Landwirte zur Produktionssteigerung, andererseits muß die Überproduktion mit hohem finanziellen Aufwand bewältigt werden. Da ist es doch schon fast pervers, wenn Flurbereinigungsmaßnahmen die Landwirtschaft effizienter gestalten sollen und gleichzeitig Flächenstillegungsprogramme durchgeführt werden. Für die Natur und wahrscheinlich auch für die Landwirtschaft wäre es am sinnvollsten die Produktion nicht mehr nach Quantität, sondern nach Qualität auszurichten. Dazu sollten alle Maßnahmen zur Produktionssteigerung gestoppt werden und die Gelder eher in den zukunftsorientierten, alternativen Landbau investiert werden, um Böden, Gewässer, Flora und Fauna zu schonen und zu erhalten.
Hinzu kommt, daß viele Gesetze auch im Bereich des Naturschutzes nicht mehr Zeitgemäß sind. Ein Beispiel ist die Landwirtschaftsklausel im §1 Abs. 3 BNatSchG:
"Der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft kommt für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft eine zentrale Bedeutung zu, sie dient in der Regel den Zielen dieses Gesetzes"
Gilt dann die moderne Intensivlandschaft nicht mehr als "ordnungsgemäß" im Sinne diese Gesetzes? (STICHMANN 1986, S295)
Der Naturschutz versteht auch den Übereifer bei Biotopneuanlagen nicht. Ein Beispiel dafür ist die Vogelschutzinsel am Altmühlsee. Heute brüstet man sich, wieviele schöne Tier- und Pflanzenarten sich angesiedelt haben. Von den zahlreichen Arten, die durch die Biotopneuanlage ihre Lebensgrundlage verloren haben, spricht natürlich niemand.
Ein weiterer Punkt sind die schon angedeuteten hohen Kosten. Nicht nur Umweltschützer, sondern auch weite Teile der Bevölkerung werden künftig kaum noch Verständnis dafür aufbringen, wenn gleichzeitig bereits drainierte Flächen aus Naturschutzgründen wieder vernäßt und intakte Feuchtgebiete trockengelegt werden oder künstlich verbaute Gewässer renaturiert, aber naturnah belassene Bäche ausgebaut werden. Und beide Schritte gleichzeitig Steuermillionen verschlingen.
Flurbereinigung ist und bleibt ein künstlicher Eingriff in die Natur. Natur erschaffen vermag sie nur bedingt. Vielleicht sollte die Landschaft viel öfter sich selbst überlassen werden und nicht immer vom Menschen verplant werden, damit Natur überhaupt erst entstehen kann.
5 Literatur
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EICHENAUER, MARTINA UND JOERIS, DAGMAR (1994): Das historische Verhältnis von Flurbereinigung und Naturschutz/Landschaftspflege; in: Berichte der Landwirtschaft; Bd. 72; 1994; S. 329-450
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MANGER, ROLF (1986): Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz; hrsg. vom Bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; in: 100 Jahre Flurbereinigung in Bayern 1886 - 1986; Materialien zur Flurbereinigung, 1986, S. 117-135
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SCHATT, HERMANN: Finanzierung und Ausbau der Flurbereinigung; hrsg. vom Bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; in: 100 Jahre Flurbereinigung in Bayern 1886 - 1986; Materialien zur Flurbereinigung, 1986, S. 136-148
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SICK, WOFL-DIETER (1992): Agrargeographie; Das Geographische Seminar; Braunschweig
STAUBER, RUDOLF (1986): Landentwicklung Ländlicher Raum - ein Opfer des technischen Fortschritts; hrsg. vom Bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; in: 100 Jahre Flurbereinigung in Bayern 1886 - 1986; Materialien zur Flurbereinigung, 1986, S. 185-197
STICHMANN, WILFRIED (1986): Naturschutz mit der Landwirtschaft; Geographische Rundschau 38, 1986, S. 294-302
Zahlreiche Informationsblätter; herausgegeben durch die Direktion für ländliche Entwicklung Ansbach