Dipl.-Geograph Andreas Nagl
Diplomarbeit "Stadtklimatische Untersuchungen in Schwabach - Geländemessungen und Computermodellierung hinsichtlich klimaökologischer Ausgleichsflächen"
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Das gilt auch für Schwabacher "Autoren" wie Brunner, Sauer und Schmitt.
4.3 Computerrastermodell
Um die Kaltluftprozesse am Computer zu modellieren, habe ich in erster Linie das Kaltluftmodell BLUEFLOW angewandt. Dieses Programm wurde im Rahmen einer Dissertation an der Universität Erlangen-Nürnberg von THOMAS CARL entwickelt. Mit Hilfe von Regressionsgleichungen kann das Modell die bei Strahlungsnächten auftretende Verteilung der Minimumtemperaturen (Tmin) flächendeckend errechnen. Dieser Parameter ist gut geeignet, um Kaltluftprozesse zu analysieren. Für die Darstellung und kleinere Auswertungen kamen zusätzlich andere Programme zum Einsatz: AutoCad, Surfer, Excel, Corel Draw oder das Geoinformationssystem Idrisi.
4.3.1 Modellbeschreibung "BLUEFLOW"
Die Anwendung von "BLUEFLOW" läßt sich in mehrere Arbeitsschritte einteilen:
· Abgrenzung des Modellgebiets
· Digitalisierung der Eingabedaten
· Ermittlung der Prädiktorwerte für alle Raster
· Regressionsanalyse
· Berechnung der Minimumtemperatur für alle Raster
· Kartographische Darstellung
Um den Klimaparameter Tmin im Schwabachtal zu modellieren, sind verschiedene Eingabeparameter notwendig. Die Primärdaten Höhe ü. NN, Oberflächenbedeckung und Bodenart werden für jedes Raster der Größe eingegeben und daraus die Bestimmungsvariablen abgeleitet. Hierbei sollte berücksichtigt werden, daß die Ergebnisse in erster Linie von der Qualität dieser Daten abhängen. Ferner ist die Art und Anzahl der Primärdaten immer ein Kompromiß. Denn die Vielzahl der Parameter (vgl. Tabelle 9), die Tmin in der Realität beeinflussen, kann ein Computer zwar verrechnen, der Eingabeaufwand wäre jedoch beträchtlich.
Es ist demnach notwendig, das Modell an Hand von Geländemessungen zu kontrollieren und diese Werte mit zu verrechnen. Auch aus diesem Grund wurden die in Kapitel 4.1 beschriebenen nächtlichen Meßfahrten durchgeführt.
Der Vorteil von BLUEFLOW liegt darin, daß mit relativ wenigen Parametern, die flächenhafte Verteilung simuliert und mehrere Größen dargestellt werden.
· Größe und Lage des Kaltlufteinzugsgebietes für jedes Raster
· Zuflußlinie der Kaltluft von einen wählbarem Zielbereich aus
· Kaltluft-Staubereiche
Durch die graphische Aufbereitung und Analyse lassen sich klimaökologische Aussagen für die Stadtplanung treffen. So gibt die Größe des effektiven Einzugsgebietes Aufschluß über Frischluftzufuhr eines Standortes. Kaltluft-Staubereiche zeigen das Abflußverhalten von Luftmassen an. Eine Aussage über das Durchlüftungspotential eines Standorts wird möglich. Solche Erkenntnisse sind für die Stadtklimatologie hinsichtlich Lufthygiene und Immissionsschutz wichtig. Städte können nach klimaökologischen Gesichtspunkten Maßnahmen entwickeln. Beispiele hierfür sind die Standortwahl für Industrie und Wohnungsbau, Erhalt von effektiven Kaltluftentstehungsgebieten mit Ausgleichsfunktion oder Erhalt von Frischluftschneisen.
Natürlich ist BLUEFLOW nicht nur in der Stadtplanung einsatzfähig, sondern bietet auch weitere Anwendungsfelder:
· Ausweisung frostgefährdeter Gebiete in der Agrarplanung
· Interpretationshilfe bei der kleinräumigen klimatischen Gliederung und Beurteilung eines regionalen Untersuchungsraumes
· Simulation der Veränderung wichtiger Klimafaktoren bei vorgesehener Nutzungsänderung
· Ergänzung zu stationären Temperaturmessungen durch Regionalisierung
· u.a.
4.3.2 Die Eingabedaten
Die Geofaktoren Höhe ü. NN, Oberflächenbedeckung und Bodenart bestimmen hauptsächlich die Temperaturmerkmale eines Gebietes und bilden die Berechnungs-grundlage für die Ermittlung der Parametrisierungsvariablen.
Höhe ü. NN:
Für die Bestimmung aller reliefabhängigen Parameter ist die absolute Höhe der Basiswert. Zu den Parametern zählen die Größe des Kaltlufteinzugsgebietes, die mittlere Neigung der Kaltluftabflußlinie, die Höhendifferenz zu einem Hindernis und die Höhe über Tal. Die Höhe ist wohl der wichtigste Parameter, weshalb auch bei der Eingabe auf eine hohe Genauigkeit geachtet wird und Zahlen mit einer Dezimalstelle eingegeben werden.
Oberflächenbedeckung:
Sie steuert in erster Linie die effektive Ausstrahlung. Bestimmte Bedeckungsarten fungieren als Hindernis und steuern so die Kaltluftdynamik. Für die Berechnung der Minimumtemperatur sind hauptsächlich die Höhe und Dichte einer Bedeckung relevant. Es werden deshalb für jede Bedeckung eine oder sogar zwei "Bestandshöhen" angenommen, da die Höhe jahreszeitlich schwanken kann. Insgesamt sind 14 Klassen unterschieden, die einen dreistelligen Code erhalten, der in das Programm eingegeben wird (vgl. Tabelle 10).
Bodenart
Die Bodenart bestimmt den Wärmenachschub aus verschiedenen Böden. Die verschiedenen Bodenarten steuern den Energieumsatz und so die langwellige Ausstrahlung. Insgesamt werden sechs Klassen unterschieden (vgl. CARL 1994, S. 23).
Da ich das Modell auf stadtklimatologische Fragestellungen anwenden möchte und deshalb überwiegend die Unterschiede zwischen bebauten und unbebauten Flächen aufzeigen will, spielt der Faktor Boden nicht die entscheidende Rolle. Gleichfalls erhöht sich der Arbeitsaufwand der Dateneingabe beträchtlich (vgl. Kapitel 4.3.3). Aus diesen Gründen wurde der Modellcode für die Bodenart einheitlich auf 203 gesetzt, da dieser Wert den durchschnittlichen Bodenverhältnissen entspricht.
4.3.3 Digitalisierung der Eingabeparameter: Probleme und Hilfsmittel
Die ersten Probleme ergaben sich bereits bei der Abgrenzung des Gebiets. Das für Kaltluftprozesse relevante Einzugsgebiet der Stadt ist auf das Schwabachtal mit seinen lokalen morphologischen Wasserscheiden begrenzt. Die daraus resultierende Gebietsgröße war mit 4,9 km Breite und 8,4 km Länge für einen "normalen" PC zu groß (329280 Eingabewerte). Die entstehende Grunddatei konnte nicht in den Arbeitsspeicher geladen werden. Das Programm war für eine maximale Fläche von 9 km2 mit einer Auflösung von 25 x 25 m konzipiert. Eine Lösung bot sich auf zweierlei Art und Weise. Erstens konnte bei der Größe des Gebiets und den gegebenen Fragestellungen die Auflösung auf 50 x 50 m verkleinert werden, was immer noch einer Eingabe von 82320 Werten entspricht. Zweitens mußte BLUEFLOW auf die neuere 32-bit Technologie umgeschrieben werden, wodurch sich der Beginn der Digitalisierung um mehr als drei Monate verzögerte.
Für die rastermäßige Digitalisierung der Daten wird eine Quadratrasterfolie im Maßstab 1:5000 (Quadratbreite = 10 mm) auf die Kartengrundlage, ebenfalls Maßstab 1:5000, gelegt und an den Gauß-Krüger-Koordinaten ausgerichtet. Als Digitalisierungsgrundlage können je nach Parameter folgende Karten (1:5000) dienen:
· Höhenflurkarte
· Orthophoto mit einkopierten Höhenlinien
· Höhenflurkarte mit ergänzenden Geländeaufnahmen
· Bodenschätzungskarte
· Flächennutzungskartierungen
Um den enormen Eingabeaufwand weiter zu verringern, habe ich die Höhenangaben direkt vom Landesvermessungsamt in digitaler Form bezogen (siehe Tabelle 12).
Die ASCII-Datei wird mit Word oder Surfer aufbereitet und in die Grunddatei von BLUEFLOW eingefügt. Schwierig ist auch in diesem Fall die Datenmenge, die z.B. Excel nicht mehr öffnet.
Da BLUEFLOW die Grunddatei mit missing values selbst anlegt, mußte ich nur noch die Oberflächenbedeckung mit Hilfe der Rasterfolie digitalisieren (16137 Werte). Als Kartengrundlage diente die Flächennutzungskartierung, die ebenfalls durch das Stadt-ABSP von der Firma ANUVA erarbeitet wurde, und Luftbilder im Maßstab 1:5000. Beim Zuordnen der Oberflächenbedeckung für ein Raster wird der dominierende Anteil aufgenommen. Ausnahmen sind lineare Hindernisse oder Schneisen (z.B. Hecken, Verkehrswege, Dämme, ...). Gerade solche linearen Elemente beeinflussen die Kaltluftdynamik (Hindernisse, Kaltluftstau). Da sich die Klassifizierung der ABSP-Kartierung von der BLUEFLOW-Klassifizierung unterschied, mußten die einzelnen Klassen zugeordnet werden (vgl. Tabelle 14):
Probleme hierbei stellen die verschiedenen Kriterien dar, die sich nicht immer eindeutig zuordnen lassen. Entscheidend für BLUEFLOW sind die Kriterien Oberfläche und Höhe der Bedeckung. So ist die Unterscheidung in Laub- und Mischwald nicht so wichtig wie eine Differenzierung in Hochwald oder Jungwald. Auch kann eine Bahnanlage unterschiedliche Oberflächen haben. Eine zusätzliche Kontrolle der Flächennutzungskartierung durch Luftbilder war unbedingt notwendig.
Der eigentliche Vorgang des Digitalisierens, also das Bearbeiten der BLUEFLOW-Grunddatei durch einen beliebigen Texteditor, vereinfachte ich durch die Verwendung technischer Hilfsmittel wie Makros und Soundkarte. Durch einen Voice Assist fügte ich die Cover-Werte direkt über ein Mikrofon ein.
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